Im Rahmen der Durchführung einer qualitativen Interviewstudie zur Begutachtung gesundheitlicher Folgeschäden nach politischer Haft in der DDR zeichnete sich bereits vor der Interviewführung ein auffälliger Inszenierungscharakter im Kontakt mit den Befragten ab. Die Studie fokussiert die Frage, wie es zu verstehen ist, dass trotz des Bestehens der Entschädigungsgesetze eine erhebliche Diskrepanz zwischen Antragstellung und positiver Bescheidung vorliegt. Damit schließt die Arbeit, unter Anerkennung der Differenz der Ereignisse, an einen historisch bekannten Diskurs der 1960er Jahre zur Entschädigung der nationalsozialistischen Verbrechen an. Der hermeneutische Forschungsansatz der Studie umfasst sowohl die Auswertung gemäß der Grounded Theorie Methodologie nach Strauß und Corbin sowie einen psychoanalytischen Verständnisansatz nach Lorenzer und Argelander. In dem Vortrag sollen anhand ausgewählter Fallbeispiele Phänomene nachgezeichnet werden, die sich sowohl im Kontakt mit dem Interviewer herstellten als auch auf der manifesten Textebene herausgearbeitet wurden und auf eine (auto-)destruktive Reinszenierung von Unrechtserfahrungen verweisen. Die theoretische Rahmung bildet dabei das psychoanalytische Konzept der Implantation bei der Internalisierung von Gewalt (Hirsch) sowie das Konzept des totalitären Objekts (Šebek). Es ist anzunehmen, dass diesen (auto-)destruktiven Reinszenierungen von Unrechtserfahrungen in der Begutachtung gesundheitlicher Folgeschäden eine erhebliche Relevanz zukommt.