Die bisherige Evidenz zur Wirksamkeit von Psychotherapien basiert vorwiegend auf kontrollierten, standardisierten Settings – ein Umstand, der reale Versorgungsbedingungen und individuelle Patientenerfahrungen nur unzureichend abbildet und zum „Scientist-Practitioner-Gap“ beiträgt. Insbesondere der Einfluss der therapeutischen Beziehung sowie das Zusammenspiel von Behandlungsintensität und psychodynamischen Interventionstechniken auf Veränderungen der Persönlichkeitsstruktur sowie der psychischen und körperlichen Gesundheit sind bislang wenig erforscht.
In der Psympact-Studie werden Menschen mit psychischen Erkrankungen über einen Zeitraum von sechs Jahren alle sechs Monate u.a. zu verschiedenen Aspekten ihrer psychischen Gesundheit (Symptome, interpersonelle Probleme, Lebenszufriedenheit, strukturelle Beeinträchtigungen) sowie zu in Anspruch genommenen Behandlungen (Behandlungsdauer, -intensität, therapeutische Beziehung, psychodynamische Interventionstechniken) befragt.
Zusätzlich werden in einer Subgruppe Haarproben zur Untersuchung des körperlichen Stresssystems (allostatische Last) entnommen sowie qualitative Interviews zu subjektiven Krankheitsmodellen und Erfahrungen mit unterschiedlichen Behandlungsformen durchgeführt.
Die Stichprobe wird naturalistisch erhoben, das heißt, die Teilnehmenden können unbehandelt sein, sich in psychiatrischer, rein medikamentöser Behandlung befinden oder verschiedene Psychotherapieformen (z. B. Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch-fundierte Therapie, Psychoanalyse) in Anspruch nehmen.
Dieses innovative Studiendesign ermöglicht es, nachhaltige und langfristige Veränderungsprozesse von kurzfristigen Symptomveränderungen zu unterscheiden. Präsentiert werden erste Daten sowie das Studiendesign, und interessierten niedergelassenen Psychoanalytiker:innen wird veranschaulicht, wie eine Teilnahme an der Studie im Praxisalltag konkret aussehen kann.
The evidence to date on the effectiveness of psychotherapies is primarily based on controlled, standardised settings – a circumstance that inadequately reflects real-life care conditions and individual patient experiences and contributes to the ‘scientist-practitioner gap’. In particular, the influence of the therapeutic relationship and the interplay of treatment intensity and psychodynamic intervention techniques on changes in personality structure and mental and physical health have been little researched to date.
In the Psympact study, people with mental illness are surveyed every six months over a period of six years on various aspects of their mental health (symptoms, interpersonal problems, life satisfaction, structural impairments) and on the treatments they have received (duration and intensity of treatment, therapeutic relationship, psychodynamic intervention techniques).
In addition, hair samples are taken from a subgroup to investigate the physical stress system (allostatic load) and qualitative interviews are conducted on subjective disease models and experiences with different forms of treatment.
The sample is naturalistic, i.e. the participants can be untreated, undergoing psychiatric treatment with medication only or taking advantage of various forms of psychotherapy (e.g. behavioural therapy, depth psychology-based therapy, psychoanalysis).
This innovative study design makes it possible to distinguish sustainable and long-term change processes from short-term changes in symptoms. Initial data and the study design will be presented, and interested psychoanalysts in private practice will be shown what participation in the study could look like in practice.
Dr. rer. nat. Dipl. Psych. André Kerber studierte Kognitionswissenschaften und Psychologie an den Universitäten Osnabrück, Potsdam sowie Freie Universität Berlin und vereinte bereits früh in seinen publizierten Arbeiten die scheinbar widersprüchlichen Perspektiven der Informatik, Neurobiologie und Psychologie. In seiner Promotion (summa cum laude) integrierte er psychodynamische Perspektiven und brachte u.a. objektbeziehungstheoretische Aspekte der Persönlichkeitsstruktur in einen fruchtbaren Austausch mit den Methoden der Psychoinformatik und der Welt der digitalen Gesundheitsanwendungen.
Seine berufliche Laufbahn zeichnet sich zudem durch den regen Wechsel zwischen Forschung und Praxis aus. Seit 2017 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich Klinisch-Psychologische Intervention der FU Berlin, wo er neben seiner Forschung zu Persönlichkeitsstruktur auch praktisch-psychotherapeutisch bei über 300 Pat. mit depressiven Erkrankungen in internetbasierten Interventionen begleitete. Darüber hinaus koordinierte er klinische Studien mit digitalen Gesundheitsanwendungen mit über 1500 Teilnehmenden. Parallel dazu absolvierte er eine psychotherapeutische Ausbildung mit Schwerpunkt Verhaltenstherapie und praktiziert seit 2018 als approbierter Psychologischer Psychotherapeut in eigener Praxis. Um seinen klinischen Weg zu vervollständigen begann er 2020 die verklammerte Ausbildung in Psychoanalyse (DPG) und Tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie.
Neben seiner Dozententätigkeit an verschiedenen Universitäten und psychotherapeutischen Instituten ist er seit 2024 zusätzlich als Prüfer für staatliche psychotherapeutische Prüfungen sowie als Supervisor für Verhaltenstherapie tätig. Abgesehen von zahlreichen Veröffentlichungen in internationalen Peer-Review-Journals verfasste er Buchkapitel und erhielt den Wilhelm-Bitter-Forschungspreis des Vereins zur Förderung der Psychoanalyse und der Tiefenpsychologie in Deutschland (VFPT).