Ausgehend von der Geschichte eines Falles, der zu den ersten Behandlungen während meiner eigenen Ausbildung zählte, werden Fragen der Idealisierung und Entidealisierung der Psychoanalyse im Laufe der Berufsbiographie aufgeworfen. Es wird gezeigt, dass der Aufbau einer persönlichen Identität als Psychoanalytiker eng verbunden ist mit Fragen der Selbstwertregulierung und der Anerkennung innerhalb der kollegialen Gemeinschaft des psychoanalytischen Instituts und später auch der Fachgesellschaft, einschließlich der transgenerationalen Weitergabe des Verbindenden an Ausbildungskandidaten vor dem Hintergrund der Brechung der Zugehörigkeit zur psychoanalytischen Gemeinschaft innerhalb der deutschen Geschichte. Im zweiten Teil des Vortrags sollen zwei Quellen für Fehlentwicklungen psychoanalytischer Identitätsentwicklung und Institutskultur identifiziert werden, die sich aus regressiven Strömungen im Sinne einer Stabilisierung des narzisstischen Gleichgewichts durch eine persistierende Über-Ich-gebundene unkritische Idealisierung der Psychoanalyse ergeben können. Die Identitätsbildung steht dann unter dem Druck eines omnipotente Züge tragenden archaischen Ich-Ideals, verbunden mit dem Zwang zum Perfektionismus. Wo solche Strukturen dominieren, wird das Institut durch Tendenzen zur Projektion negativer eigener Anteile der analytischen Identität auf Kollegen und die Unterminierung lehranalytische Prozesse durch pädagogische Unterströmungen zur Bühne. Zur Vermeidung und Entkräftung dieser Gefahren wird ein Verständnis des psychoanalytischen Instituts als Rahmen vorgeschlagen, der sich auf die strikte Orientierung an Regeln demokratischer Gemeinschaftsbildung und psychoanalytischer Professionalität verpflichtet, verbunden mit dem Verzicht auf psychoanalytische Deutungen im Umgang mit Kollegen und Kandidaten außerhalb des analytischen Settings.
Psychoanalytic identity between archaic ego ideal and reality-recognising professionalism
Based on the story of a case that was one of the first treatments during my own training, questions of the idealisation and de-idealisation of psychoanalysis in the course of my professional biography are raised. It will be shown that the construction of a personal identity as a psychoanalyst is closely linked to questions of self-esteem regulation and recognition within the collegial community of the psychoanalytic institute and later also the professional society, including the transgenerational transmission of what connects to training candidates against the background of the refraction of belonging to the psychoanalytic community within German history. In the second part of the lecture, two sources of undesirable developments in psychoanalytic identity development and institute culture will be identified, which can result from regressive currents in the sense of a stabilisation of the narcissistic balance through a persistent superego-bound uncritical idealisation of psychoanalysis. Identity formation is then under the pressure of an archaic ego ideal with omnipotent traits, combined with the compulsion to perfectionism. Where such structures dominate, the institute becomes a stage due to tendencies to project negative parts of one’s own analytical identity onto colleagues and the undermining of teaching-analytical processes by pedagogical undercurrents. In order to avoid and counteract these dangers, an understanding of the psychoanalytic institute as a framework is proposed that is committed to a strict orientation towards the rules of democratic community building and psychoanalytic professionalism, combined with the renunciation of psychoanalytic interpretations in dealing with colleagues and candidates outside the analytic setting.
Jörg Frommer, Prof. Dr., M.A.. 1955 in Esslingen am Neckar geboren, Psychoanalytiker und Lehranalytiker (DPG, IPV) in eigener Praxis. Studium der Medizin, Philosophie und Soziologie In Heidelberg; 1996 Gründer des Lehrstuhls für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Universität Magdeburg, bis 2021 Direktor der gleichnamigen Universitätsklinik. Initiator des vom Ostbeauftragten der Bundesregierung 2021-2025 finanzierten Forschungsverbunds zu den gesundheitlichen Langzeitfolgenvon SED-Unrecht. Aktuelle Forschungsthemen: Psychoanalytische Praxeologie, politische Traumatisierung im Kontext deutscher Geschichte.